Nahezu wöchentlich erblicken neue KI-Funktionen das Licht der Welt, um uns den Arbeitsalltag zu erleichtern. Scheinbar lästige Aufgaben, wie das Protokollieren von Meetings, müssen nicht mehr selbst erledigt werden, sondern werden bequem von der KI übernommen.
Microsoft bewirbt diese Funktion bei Copilot mit überzeugenden Argumenten: Zeitersparnis und Effizienzsteigerung.
KI lindert die Symptome, ohne dass wir uns über die Ursache Gedanken machen.
Warum protokollieren wir etwas?
Ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit ist Kommunikation. Wir sprechen mit Kollegen und Kunden über verschiedene Themen, finden Lösungen, planen und halten Anforderungen fest. Dabei ist es wichtig, dass auch später alle den gleichen Stand der Ergebnisse haben, und darum sollte es festgehalten werden. Wir schreiben die relevanten Dinge auf. Am besten so, dass sie für alle verständlich sind und eine gute Grundlage für die nächsten Schritte sind. Was wir aufschreiben, ist dabei immer subjektiv, ganz nach unserem Erfahrungsschatz, Hintergrundwissen und unserer Rolle, zum Beispiel in einem Projekt.
Je länger wir arbeiten und je mehr wir uns mit anderen über die Ergebnisse von Meetings austauschen, desto präziser werden wir in unserer Kommunikation, und das spiegelt sich auch in unseren Protokollen wider.
Was wir aufschreiben, schafft Transparenz, informiert und sorgt für den gleichen Stand der Informationen bei allen Beteiligten.
Wie protokollieren wir richtig?
Die scheinbar richtige Art und Weise für Protokolle richtet sich meistens nach dem Kontext der Kommunikation. So gibt es entweder das Wiki im Git, das Meeting-Protokoll in Teams oder das Projekt-Protokoll in Confluence. Dabei sind die Regeln, die wir für die entsprechenden Protokolle festlegen, nicht starr. Immer wieder fallen uns Verbesserungen ein.
Mit der Zeit werden die Anforderungen an unsere Protokolle so speziell, dass es schwer wird, Informationen festzuhalten, die nicht in ein bestimmtes Muster passen, wie ein informelles Gespräch zwischen zwei Kollegen. Wir werden mehr und mehr unsicher, wo und wie wir etwas festhalten sollen, und machen es gar nicht.
Und wie finden wir relevante Informationen, wenn sie an zig Orten gespeichert sind? Denken wir zu viel an das Protokollieren und vergessen diejenigen, die die Protokolle lesen? Es entsteht der Eindruck, es geht nur um das Erstellen von Protokollen und nicht um das Lesen.
Ein Lösungsvorschlag
Wie aber könnte ein Werkzeug aussehen, das diesen Fokus auf den Leser und die menschliche Kommunikation in den Mittelpunkt stellt? Die Antwort liegt nicht darin, die bestehenden Prozesse weiter zu optimieren, sondern darin, das grundlegende Prinzip umzukehren. Statt mehr Regeln für das Schreiben von Protokollen aufzustellen, um die vermeintliche Lesbarkeit zu verbessern, müssen wir die Hürden für das menschliche Festhalten von Informationen radikal senken.
Stellen wir uns eine zentrale Anlaufstelle vor, einen einzigen, chronologischen Strom von Informationen, in den alles einfließen kann: die formelle Meeting-Entscheidung, die kurze Absprache auf dem Flur, der persönliche Geistesblitz zu einem Projekt. Die Struktur entsteht dabei nicht durch starre Formularfelder, die den Autor disziplinieren, sondern organisch und im Fluss des Schreibens – durch einfache, intuitive Mittel wie Markdown oder die simple Erwähnung von Themen und Personen. Das Festhalten wird so einfach wie das Schreiben einer Nachricht.
Für den Leser wird dieser scheinbar formlose Strom an Informationen auf zwei Arten wertvoll. Erstens durch einen intelligenten, persönlichen Feed, der ihm proaktiv nur die Einträge zeigt, die ihn direkt betreffen, weil er erwähnt wurde oder ein Thema aktiv verfolgt. Eine simple „Gesehen“-Funktion schafft dabei eine sanfte, aber wirkungsvolle Verbindlichkeit. Zweitens unterstützt KI, aber nicht als Ersatz für den Schreiber, sondern als Recherche-Assistent für den Leser. Statt einer Suche, die nur einzelne Fragmente liefert, beantwortet die KI komplexe Fragen in natürlicher Sprache und liefert Zusammenfassungen, die aus Dutzenden Einträgen gewonnen werden.
So entsteht ein lebendiges, kollektives Gedächtnis – eines, das nicht auf der perfekten Ablage, sondern auf dem mühelosen Festhalten und dem intelligenten Verstehen basiert. Ein System, das endlich wieder dem Menschen dient, nicht dem Prozess.
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Last modified: August 13, 2025